In Hamm sind immer mehr Frauen erwerbstätig

Frauen brauchen Vorbilder, Kinderbetreuung und ein Netzwerk, um beruflich voranzukommen. Das sagt Marie-Christine Ostermann aus Hamm, Geschäftsführerin von Rullko und Präsidentin des Verbands "Familienunternehmer" zum Weltfrauentag am Freitag (8.3.).

© Radio Lippewelle Hamm

Uroma als "role model"

Junge Frauen machen häufiger Abitur und studieren häufiger als junge Männer - trotzdem ist ihre berufliche Karriere schneller beendet: Das will Marie-Christine Ostermann nicht hinnehmen. Die 46-Jährige führt seit Jahren den Großhandel Rullko in Hamm. Ihre Eltern hätten sie gefördert, obwohl sie als Kind eher introvertiert gewesen sei. Ihr großes Vorbild sei ihre eigenständige Ur-Großmutter gewesen. Solche Mentorinnen wünscht sie sich auch für junge Frauen. 

In Hamm gibt es viele Frauen an der Unternehmensspitze

Auch die Schule sollte Mädchen zu selbstbewussten Persönlichkeiten bilden, so Ostermann: "Frauen sind oft nicht mutig, trauen sich weniger zu, Schule muss das vermitteln." 

"Jetzt ist es kein Thema mehr, dass ich eine Frau bin." - Marie-Christine Ostermann

Das liege vielleicht daran, dass gerade Familienunternehmen häufiger durch Frauen geführt werden. Als Beispiele aus Hamm nennt sie Nina Rothenpieler von Blumen Hesse, Katja Pampus von der WDI und Mareike Boccola von Hauschild. Und gerade Geschäftsfrauen oder Gründerinnen sollten sich vernetzen. Deswegen habe sie auch die "Start up teens" ins Leben gerufen. 

Ostermann ist für Tarifverträge

Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, der sogenannte "Gender pay gap", liegt immer noch bei 18 Prozent. Frauen haben mittlerweile ein Recht, das Gehalt ihrer männlichen Kollegen zu erfahren. Das sieht ein Gesetz der aktuellen Bundesregierung vor. "Mit einem Tarifvertrag als Grundlage ist das einfacher", sagt Ostermann. Deswegen sei es ihr wichtig, dass Unternehmen in der Tarifbindung bleiben- wie Rullko auch.

Rullko-Chefin lobt Betreuungsangebot in Hamm

Bisher arbeiten Frauen dreimal so häufig in Teilzeit wie Männer, weil sie oft den Großteil der Care-Arbeit in der Familie übernehmen. Mit entsprechenden Folgen für Aufstieg, Gehalt und Rente. Frauen brauchen deshalb die Möglichkeit, Kinderbetreuung zu organisieren, wenn sie es wollten, sagt Ostermann. In Belgien oder den Niederlanden sei es üblich, dass die Kinder den ganzen Tag in der Kita oder Schule sind und das beide Eltern arbeiten. "Hamm ist ganz vorne dabei bei der Kinderbetreuung", lobt Ostermann. Hier würden Kitas und OGS massiv ausgebaut und die Beiträge würden auch für mittlere Einkommen deutlich gesenkt.

Fast 30.000 Frauen in Hamm erwerbstätig

In Hamm sind immer mehr Frauen erwerbstätig. Mittlerweile sind es fast 30.000. Das meldet die Agentur für Arbeit. Das sind 115 mehr als ein Jahr zuvor; bei den Männern sind es dagegen 700 Erwerbstätige weniger. Mehr als die Hälfte der Frauen nutzt Teilzeitmodelle, bei den Männern sind es nur 12 Prozent. Arbeitsmarktexpertin Martina Leyer ist deswegen überzeugt, dass Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bei der Fachkräftegewinnung haben, wenn sie Teilzeitarbeit ermöglichen.

„Viele Frauen haben neben dem Beruf familiäre Verpflichtungen, meist eigene Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. Arbeitgeber, die dieser Nachfrage mit flexibler Arbeitszeitgestaltung begegnen, können sich motivierte Fachkräfte sichern, die nach der Familienphase oft auf Vollzeit erhöhen.“ - Arbeitsmarktexpertin Martina Leyer

Schlüssel zum Erfolg liege in der Berufsausbildung

59 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Hamm arbeiten als Fachkraft und 22 Prozent als Spezialistin oder Expertin, jedoch nur 18 Prozent auf Helferniveau. Für Martina Leyer ist das ein Verhältnis, das erheblichen Raum für Verbesserung lässt.

„Wenn aktuell nur 18 Prozent der Frauen auf Helferniveau arbeiten, sich gleichzeitig jedoch 71 Prozent nur auf Helferstellen bewerben können, weil sie keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, zeigt das, wieviel Entwicklungspotenzial für die Fachkräfteentwicklung hier noch besteht. Der Schlüssel zum Erfolg bleibt die Berufsausbildung.“ - Arbeitsmarktexpertin Martina Leyer

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