Union: «Brandmauer» zu AfD steht - Merz geht auf Ex-Ampel zu
Veröffentlicht: Samstag, 25.01.2025 14:51
Bundestagswahlkampf
Berlin/Saarbrücken/Künzelsau (dpa) - Einen Monat vor der Bundestagswahl ist ein erbitterter Streit um die Migrationspolitik entbrannt. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) sucht bei seinen Plänen zur Verschärfung den Schulterschluss mit den früheren Ampel-Parteien. Die «Brandmauer» zur AfD stehe, sagt er. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Grünen werfen ihm vor, mit seinen Plänen gegen die Verfassung zu verstoßen. Die Union widerspricht.
Debatte nach Messerattacke
Anlass der erneuten Debatte ist eine abermalige tödliche Messerattacke. In Aschaffenburg waren am Mittwoch ein zweijähriger Junge und ein Mann getötet sowie zwei weitere Menschen schwer verletzt worden. Als Täter festgenommen wurde ein 28-jähriger ausreisepflichtiger Afghane.
Merz hatte daraufhin weitreichende Verschärfungen des Einreise- und Aufenthaltsrechts verlangt und dazu einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt. Er will nächste Woche in den Bundestag Anträge zur Migration einbringen. «Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt», hatte der Unionsfraktionschef betont. SPD und Grüne zweifeln nun an der Verlässlichkeit von Merz, die Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten.
Merz: Union verhandelt nicht mit der AfD
Der CDU-Chef sagte der «Heilbronner Stimme»-Mediengruppe in Künzelsau in Baden-Württemberg, die Union werde heute die Bundestagsanträge fertigstellen und vorab nur diesen drei Parteien zur Verfügung stellen.
«Die AfD bekommt sie nicht.» Er verhandle mit der AfD nicht, auch nicht mit dem BSW und anderen. «Es bekommen die ehemaligen Ampel-Fraktionen die Texte von uns mit der ausdrücklichen Bitte, darüber über das Wochenende zu sprechen und den Versuch zu unternehmen, in der nächsten Woche hier eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.»
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Unionskreisen sind zunächst zwei Anträge in Vorbereitung: einer zu allgemeinen Positionen in der Migrationspolitik und ein weiterer zu einem Fünf-Punkte-Plan, den Merz am Donnerstag vorgelegt hatte.
Der «Bild»-Zeitung sagte Merz: «Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Darauf können sich alle verlassen.» Er könne sich nicht vorstellen, dass SPD, Grüne und FDP jetzt nichts unternehmen wollten, um die Sicherheitslage zu verbessern. «Die Parteien der Mitte müssen Verantwortung übernehmen. Das ist das beste Mittel gegen die politischen Extreme rechts und links.»
Pläne von Merz
Merz hatte vorgeschlagen, an den Grenzen alle illegalen Einreisen zu verhindern. Das gelte ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch. Außerdem soll die Bundespolizei Haftbefehle beantragen können. Ausreisepflichtige, die aufgegriffen würden, sollten sofort in Ausreisegewahrsam oder -haft genommen und so schnell wie möglich abgeschoben werden. Die EU-Asylregeln funktionierten erkennbar nicht. Deutschland müsse daher vom Recht auf Vorrang des nationalen Rechts Gebrauch machen.
Scholz: Merz-Vorschläge verstoßen gegen Verfassung
Kanzler Scholz sagte bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Saarbrücken: «Wenn jetzt der Oppositionsführer vorschlägt, dass der deutsche Bundeskanzler Dinge tun soll, die mit der Verfassung dieses Landes und mit den europäischen Verträgen nicht vereinbar sind, dann sagt das etwas über seine Befähigung, ein hohes Amt in Deutschland auszuüben.»
Das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Asyl sei eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur, sagte Scholz. Man dürfe es nicht einfach infrage stellen und sagen: «Ich verschicke einen Brief, haltet euch nicht an die Verfassung. Das geht nicht.» Jeder könne sich darauf verlassen, dass er, Scholz, die Offenheit der Gesellschaft für Zuwanderung und benötigte Arbeitskräfte sowie das Grundrecht auf Asyl erhalte.
Kanzler zweifelt an Glaubwürdigkeit von Merz
Scholz sagte, er habe stets geglaubt, dass Merz sich an sein Versprechen halten werde, nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. «Was soll ich glauben? Das ist eine Frage, die nach den Vorgängen, die diese Woche passiert sind, sich jeder Bürger und jede Bürgerin stellen muss.» Es dürfe «niemals geschehen», dass Demokraten trotz aller Unterschiede und trotz allen Wettbewerbs mit den extremen Rechten zusammenarbeiteten, sagte der Kanzler.
Grüne-Chef: Stimmen nicht zu
Grünen-Chef Felix Banaszak sagte im Deutschlandfunk, seine Fraktion stimme den Anträgen der Union in der nächsten Woche nicht zu. «Und die Union sollte sich auch sehr genau überlegen, ob sie diese Anträge in der Form wirklich einbringt», sagte er. Sie seien europa- und verfassungsrechtlich zum großen Teil «hochgradig fragwürdig».
Union sieht sich rechtlich auf sicherer Seite
Die Union widerspricht. Merz verwies in Künzelsau auf den EU-Vertragsartikel 72, der den Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für den Schutz der inneren Sicherheit belässt. Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei wies im Deutschlandfunk auf Grundgesetz-Artikel 16a hin, demzufolge kein Anrecht auf Asyl beanspruchen kann, wer aus einem EU-Land einreist.
FDP für Verschärfung
Auch FDP-Chef Christian Lindner macht sich für einen schärferen Kurs stark. «In der Ampel wurde mehr Konsequenz bei der Begrenzung von Migration von Rot-Grün immer verwässert. Auch mein Vorschlag, den Schulterschluss der demokratischen Parteien Union, FDP, SPD und Grüne zu suchen, wurde von Olaf Scholz damals hintertrieben», sagte der frühere Finanzminister. Jetzt sei eine neue Gelegenheit. «Eine Problemlösung würde der AfD den Wind aus den Segeln nehmen.»
Sicherheitspaket
Im Herbst hatte der Bundesrat Teile eines Sicherheitspakets gestoppt. Dabei ging es zum Beispiel um mehr Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden. Die Union hält die Pläne für nicht ausreichend und will Verbesserungen. Merz sagte nun: «Wir hätten seit vier Monaten ein Vermittlungsverfahren im Bundesrat und mit dem Bundestag haben können. Der Antrag hätte von der Bundesregierung längst gestellt werden müssen.»
Vorhaben in der Pipeline
Noch nicht verabschiedet sind im Bundestag zudem Gesetzespläne, die mehr Befugnisse für die Bundespolizei vorsehen. Dabei geht es etwa um Überwachung von Telekommunikation. Ebenfalls noch nicht vom Parlament beschlossen ist die nationale Umsetzung einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Damit soll die Migration stärker gesteuert und die irreguläre Migration wirksam begrenzt werden.