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Gewaltbereitschaft in Hamm deutlich gestiegen

Einige Menschen in Hamm sind beim Arbeiten immer öfter mit Gewalt konfrontiert. Immer häufiger werden Polizisten oder Feuerwehrleute im Einsatz angegangen, doch auch in anderen Bereichen kommt es immer wieder zu Gewalt, verbal und körperlich. Ein Überblick zur Situation in Hamm.

Egal ob im Bus, in der Arztpraxis in Hamm oder im Klassenzimmer, überall scheint der Geduldsfaden deutlich kürzer geworden zu sein. Dass das nicht nur ein Gefühl ist, bestätigen auch Hammer Ärzte, Krankenhausmitarbeiter, Busfahrer und Lehrer. Immer wieder komme es zu verbalen Auseinandersetzungen, Beleidigungen und sogar Handgreiflichkeiten. 

Mehr Gewalt gegen Beamte in Hamm

Nicht nur die Gewalt in der Bevölkerung in Hamm an sich ist angestiegen. Auch Amtsträger, wie Polizisten, Feuerwehrleute oder Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes sind im vergangenen Jahr öfter angegriffen worden. Mit 142 Fällen gibt es in diesem Bereich einen Höchststand. 2013 waren es beispielsweise 81 Fälle, also nur knapp die Hälfte. Das zeigt die aktuelle Polizeistatistik für Hamm. Diese Entwicklung sorgt Polizeipräsident Thomas Kubera sehr.

"Ich muss versuchen, das zu verhindern. Und ich muss mir natürlich überlegen und machen in den Fällen, wo es dann auch passiert, wie ich dann meinen Beistand dazu leiste. Das mach ich nicht allein, sondern dafür gibt es ja auch Netzwerke, die helfen." - Thomas Kubera, Polizeipräsident Hamm

Er müsse sich jetzt überlegen, wie mehr Strategien gegen Beamtengewalt entwickelt werden können. Damit solche Fälle gar nicht erst auftreten. Im letzten Jahr ist beispielsweise die Respekt-Kampagne mit Plakaten gestartet. Die Polizei wolle mit Respekt auf die Menschen zugehen, erwarte das aber eben auch selber, so Kubera.

Lehrer in Hamm häufiger angegriffen

Auch Lehrer spüren ein erhöhtes Konfliktpotenzial sowohl bei ihren Schülern als auch bei Eltern. "Eine Kollegin wurde kürzlich von einer Fünftklässlerin als Hurentochter beschimpft. Es gab auch schon Fälle, in denen Schüler handgreiflich geworden sind", berichtet Marcel Teiner von der Lehrergewerkschaft GEW. Auch in Elterngesprächen sei der Ton rauer geworden. "Natürlich sind das Einzelfälle, es gibt auch viele Fälle, wo alles rund läuft. Aber es ist ein Negativtrend zu erkennen", so der Gewerkschaftssprecher. Konkrete Fälle seien ihm aus Hamm zwar nicht bekannt, das liege aber auch daran, das so etwas zunächst in den Schulen selbst geklärt werde. Einen möglichen Grund für das gestiegene Konfliktpotenzial sieht Teiner in der langen Homeschooling-Phase.

"Die Schüler haben nicht gelernt, miteinander umzugehen. Sie sind alle zu stark mit sich selbst beschäftigt, um sich in andere hineinzuversetzen. Dazu haben wir gerade eine Krise nach der anderen gehabt, das zerrt an den Nerven." - Marcel Teiner, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Team in Notaufnahmen in Hamm bekommt Deeskalationstraining

"Während der Coronazeit gab es deutlich weniger Publikumsverkehr, allerdings waren einige Menschen wegen der strengen Restriktionen auch deutlich dünnhäutiger und ungeduldiger. Da kam es zu verbalen oder körperlichen Übergriffen", sagt Susanne Grobosch vom EVK. "Besonders in der Zentralen Notaufnahme haben wir da immer wieder mit zutun. Das war allerdings auch vor Corona schon so und hat sich nicht großartig verändert. Die Mitarbeiter sind gut geschult", erklärt die Kliniksprecherin. Vor Corona haben die Mitarbeiter der Notaufnahme ein Deeskalationstraining bekommen. Auch gebe es verschiedene Sicherheitsmaßnahmen.

"Es gibt in der Notaufnahme auch mehrere Räume, die sich von innen verschließen und dann von außen nicht mehr so leicht öffnen lasse. In diesen Schutzräumen kann sich das Personal in Notfällen auch in Sicherheit bringen. Der Nachtdienst ist zudem mit einem besonderen Sicherheitssystem ausgestattet, mit dem sie im Notfall auch ohne Telefon Hilfe rufen können." - Susanne Grobosch, Sprecherin EVK Hamm

Ähnliches erlebt auch das St. Marien-Hospital. "Wir beobachten ein höheres Aggressionspotenzial gegenüber unseren Mitarbeitern, verbal bis körperlich. Es kommt auch immer mal wieder zu Gewalt gegen Sachen", erklärt Sprecherin Bettina Otte. Bereits vor der Coronapandemie hat das Krankenhaus angefangen, ein Videosystem zu installieren. So befinden sich unter anderem Kameras an der Notaufnahme. "Eben überall da, wo so was eher vorkommen kann. Natürlich sind die Kameras klar ausgewiesen", so Otte. Zudem gebe es auch hier ein internes Alarmierungssystem.

Plexiglasscheiben bieten Schutz in Arztpraxen in Hamm

Ärztesprecherin Dr.med. Ulrike Leise-Rauße beobachtet schon seit Längerem einen immer raueren Ton in ihrer Praxis. "Der Ton ist unangebrachter geworden. Die Patienten sind vorwurfsvoller und anspruchsvoller geworden. Im Sommer und Herbst mussten wir deshalb auch häufiger den Wachdienst rufen und von unserem hausrecht gebrauch machen. Diese Patienten haben Praxisverbot erhalten", erklärt die Ärztin. Hauptsächlich beschränke es sich bisher auf verbale Attacken. Trotzdem seit das Team froh um die Plexiglasscheiben, die seit Beginn der Pandemie die Empfangstresen umrahmen. "Sie bieten ein bisschen Schutz, weil es dadurch schon mehr Überwindung kostet", erklärt Leise-Rauße.

Gewalt gegenüber Mitarbeitern der Stadtwerke Hamm

"Im Beschwerdebereich der Ton ist wesentlich rauer geworden, teilweise auch unverschämt", sagt Cornelia Helm von den Stadtwerken. Gerade Busfahrer erlebten fast täglich "verbale Entgleisungen". Vier bis fünf Mal im Jahr komme es auch zu Handgreiflichkeiten, dann werde aber direkt die Polizei gerufen, so die Stadtwerkesprecherin. Die Plexiglasscheiben, hintern denen die Busfahrer seit der Coronapandemie sitzen, seien eine gute Hemmschwelle, dass sich die Leute doch zurückhalten. Das schaffe ein Sicherheitsgefühl. Zwei Mal im Jahr nehme das Personal im Fahr- und Außendienst an einem Deeskalationstraining teil.

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