Substitutionspraxis in Hamm: Arzt äußert sich zu Vorwürfen

Die geplante neue Praxis für suchtkranke Menschen im ehemaligen Elektromarkt Rinsche an der Werler Straße im Süden von Hamm sorgt für Diskussionen. Ein neuer Flyer einer Bürgerinitative heizt die Stimmung weiter an. Eine Einordnung.

Hammer Substitutionsarzt will an Werler Straße in Hamm neue Praxis eröffnen

Dr. Andreas Adrian betreibt eine von fünf Praxen für suchtkranke Menschen in Hamm. Weil es regelmäßig zu langen Schlangen vor dem Gebäude komme, suche er schon länger nach einem neuen Standort. Das ehemalige Rinsche-Gebäude biete genügend Platz, um die Patienten zu versorgen und den Betroffenen mehr Diskretion zu ermöglichen. Die großen Räume hätten einen entscheidenden Vorteil. Dort könne er die Ein- und Ausgang trennen und er würde die Medikamentenausgabe statt einmal täglich dreimal täglich anbieten. So müsse dann kein Patient mehr draußen warten.

Bürgerinitiative mit neuem Flyer gegen Praxis im Hammer Süden

Im Hammer Süden befürchten die Anwohner und Geschäftsleute weniger Attraktivität und mehr Kriminalität, sollte die Praxis dorthin ziehen. In einem neuen Flyer, der seit einigen Tagen verteilt wird, macht eine Bürgerinitative ihrem Ärger Luft. So befürchten die Anwohner demnach, dass es Konflikte mit den benachbarten Schulen, Kitas und Seniorenheimen gebe. Auch ein "Drogentourismus" aus anderen Städten durch das neue Angebot sowie mögliche neue Szenetreffpunkte seien denkbar, so das Bündnis. Anwohner würden einen Verlust an Wohnqualität befürchten, Geschäftsleute hätten Existenzängste. In dem Flugblatt werden Interessierte dazu aufgerufen, sich mit Leserbriefen und Beiträgen an der Diskussion zu beteiligen.

"In den Flugblättern steht jede Menge Meinung und ganz wenig Ahnung. Die sind raus und unglücklicherweise muss ich jetzt irgendwie versuchen bei allen Diskussionen die Fehlinformationen, die dort drin sind, zu korrigieren." - Dr. Andreas Adrian

Subsitutionsarzt in Hamm mit Kritikern im Gespräch

Eine große Informationsveranstaltung mit Hunderten Gästen hält Dr. Adrian nicht für den richtigen Weg. Er wolle keinen Vortrag halten, sondern mit den Interessierten ins Gespräch kommen. Zuletzt gab es daher ein Hintergrundgespräch mit Vertretern der Bürgerinitiative in den Räumen der aktuellen Praxis. Die Situation sei emotional sehr aufgeladen, dabei müsse man sich jetzt auf die Fakten konzentrieren, so Adrian.

"Ich weiß nicht, ob ich Bedenken ausräumen konnte, aber ich habe versucht zu erklären, was die Situation ist und was dort passiert. Ich bin seit über 20 Jahren in der Substitution an der Ostenallee und ich weiß, was dort alles nicht passiert." Dr. Andreas Adrian

Er setze auf einen kleinteiligen, individuellen Austausch, in dem er auch auf konkrete Fragen eingehen könne. Interessierte könnten ihn dafür gern kontaktieren, so Adrian.Durch Methadon und ähnliche Medikamente werde die Szene entkriminalisiert. Die Patienten und Patientinnen müssten eben genau das nicht mehr tun: Diebstähle begehen oder sich prostituieren, um an ihre Ersatzdroge zu kommen. Die Mehrheit seiner Patienten gehe darüber hinaus einer Arbeit nach und habe kein Interesse, sich länger als nötig aufzuhalten. Keine der existierenden fünf Praxen mit entsprechendem Angebot in Hamm hätten Probleme mit Kriminalität durch ihre Patienten im Umfeld, heißt es, die Lippewelle hat darüber berichtet.

Angespannte Situation bei fünf Substitutionspraxen in Hamm

Die Situation der fünf Substitutionspraxen in Hamm ist angespannt. Viele Ärzte werden wohl in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen und eine Versorgungslücke hinterlassen, so Dr. Adrian. Mit der neuen, größeren Praxis an der Werler Straße sei er vorbereitet und könne entsprechende Kapazitäten bereithalten. Etwa 250 bis maximal 300 Menschen könnten über den Tag bei ihm mit den Ersatzmedikamenten versorgt werden. Aktuell sind bei ihm bis zu 150 Patienten und Patientinnen im Substitutionsprogramm, das unter strengen Vorgaben steht. Die Bürgerinitiative befürchtet, dass bis zu 600 Personen in der neuen Praxis betreut werden könnten.

"Ich glaube, dass viele von denen Leuten, die jetzt etwas dagegen haben, am Ende gar nicht bemerken werden, dass es dort eine Substitutionsambulanz gibt, weil wir das räumlich so strukturieren, dass keine Patientenhäufungen auftreten. Ich würde wirklich darauf wetten, dass man es nicht bemerkt." - Dr. Andreas Adrian

Langfristig geht Dr. Adrian von einem Versorgungsengpass in Hamm aus, für den man schon jetzt auf der Suche nach entsprechenden Fachkräften sei. Diese müssten dann auch selbst entscheiden, ob sie neue Praxen eröffnen oder bestehende übernehmen.

Diskussion um Diamorphin in neuer Praxis im Hammer Süden

Ein weiterer Kritikpunkt der Bürgerinitiative ist die Erweiterung des Angebots in der geplanten Praxis an der Werler Straße. So soll dort nach erfolgreicher Bewilligung auch Diamorphin, also medizinisches Heroin im Rahmen einer streng kontrollierten Therapie angeboten werden.

"Diamorphin ist pharmazeutisches Heroin. Wir dosieren das so, dass der von der Allgemeinheit befürchtete Kick nicht einsetzt. Die Opiatrezeptoren im Körper werden aber angesprochen, sodass die Patienten wieder Arbeiten gehen oder Zuhause ein normales Leben leben können." - Dr. Andreas Adrian

Er gehe von insgesamt 30 neuen Patienten durch das Angebot aus. Andere Zahlen, die in diesem Kontext im Umlauf sind, seien unrealistisch. Auch an Lock-Effekt für Menschen aus anderen Städten glaube er nicht, da der Aufwand für eine solche Therapie für Auswärtige zu groß sei und diese in ihrem sozialen Umfeld gebunden seien.


Neue Subsitutionspraxis in Hamm will auch Beratungsstelle werden

In den großen neuen Praxisräumen will Dr. Adrian auch ein neues Beratungsangebot schaffen.

"An dem neuen Standort richten wir einen Kommunikationsraum ein, wo wir Schulprävention machen, wo wir unsere Notfalltrainings machen können, wo man sich mit betroffenen Angehörigen treffen kann. Das Problem haben wir öfters, dass besorgte Eltern da sind, dass die Kinder entgleisen." Dr. Andreas Adrian


Konkrete Umsetzung der neuen Praxis im Hammer Süden weiter unklar

Bevor es an der Werler Straße mit der neuen Substitutionspraxis tatsächlich losgehen kann, sind noch einige Bedingungen zu erfüllen, so Adrian. Der Mietvertrag sei noch immer nicht unterschrieben, es ständen noch einige Bewilligungen der Bezirksregierung Arnsberg aus. Man wolle im Austausch mit der Nachbarschaft weiter Bedenken ausräumen und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit, sobald alle rechtlichen Fragen geklärt sind, heißt es.

"Ich bin ziemlich sicher, dass andere Kommunen hier herkommen werden, um sich anzuschauen, wie wir das in Hamm gelöst haben. Die Patienten sind nunmal da und sie werden nicht verschwinden, nur weil wir kein Angebot für die Substitution haben."

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